Freitag, 12. Dezember 2008

Murmeltiere gegen den Kapitalismus

Schlechte Geschenke erhalten die Freundschaft

Ich fürchte die Menschen, auch wenn sie Geschenke bringen. Sie sollten auch so fühlen, besonders in Zeiten wie diesen. Das aktuelle Geschenke-Hochrüsten unterstützt nur den mit Getöse implodierenden Kapitalismus. Versetzen wir ihm den Todesstoß durch Konsumverweigerung.

Schlecht sind Präsente, die Geld kosten. Also um den Preis der eigenen Seele im Schweinesystem Erwerbstätigkeit erkauft sind. Das kann doch der liebende Mitmensch nicht wollen!

Wohin aber mit der überschüssigen und anders schwer zu beweisenden Zuneigung? Rauschebart Marx, erklär’s dem Volk: Die Antwort liegt in der Rückeroberung der Produktionsmittel. Sie können es meinetwegen „basteln“ und "Blödsinn schenken" nennen. Das funktioniert nicht nur für Weihnachten, sondern auch für die Zeit nach der Wirtschafts-Apokalypse.

Als leuchtendes Beispiel mögen die funkelnden Augen einer mir näher bekannten Frau dienen: Die strenge Nichtraucherin hatte zu Weihnachten von ihren Töchtern einen Aschenbecher aus goldenem Salzteig in Hundehaufenform geschenkt bekommen. Etwas später bot ihr dies Anlass für einen Racheakt epischen Ausmaßes: Zum 30. Geburtstag schenkte sie einer der Delinquentinnen nichts anderes als ein billiges jodelndes Plastik-Mankei.

Man erzählt von einem großen Erstarken der Familienbande. „Ich habe starke Gefühle für dich – auch wenn’s die falschen sind!“ signalisieren Hundstrümmerl und Murmeltier.
Es lebe die Liebe, Tod dem Kapitalismus! Meinem sozialen Umfeld sei an dieser Stelle ausgerichtet: Von mir gibt’s heuer nix, außer starke Gefühle (in welcher Form auch immer).

Email: meindldominika@yahoo.de

Samstag, 29. November 2008

Pullover-Rätsel entschlüsselt?

Gastkolumnist Button erklärt:
Die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Frau und Mann sind Legion und vielfach beschrieben. Eine aber stellt uns Hobbygenderforscher immer noch vor ein Rätsel, über das wir nächtelang in der Eremitage des Vertrauens grübeln, bis der Messwein gar ist.

Es geht um das Ausziehen von Pullovern. Frauen rücken beidhändig das Bauchbündchen hoch, um sich dann das Bestrickte in einer komplizierten Verrenkung mit verschränkten Armen – einer minimalistischen Laokoon-Gruppe gleich – über den Kopf zu ziehen. Das erledigen sie blitzartig bei aufrechtem Stand.

Wir Männer hingegen beugen unseren Oberkörper, greifen mit einer Hand an den Rücken und häuten uns mehr, als wir uns ausziehen. Dies hat schon lange Ahnenreihen tadelnder Mütter hervorgebracht, die unermüdlich und erfolglos danach riefen, die Maschen doch zu schonen.

Wie es Meister Zufall so will, bot mir kürzlich eine weise Frau eine Erklärung für das unabänderliche Männerverhalten an: Soweit ich mich erinnere – es war schon ein wenig spät, und der Kamillentee hatte seine Wirkung entfaltet – meinte sie, der Mann zelebriere im Akt des Pulloverausziehens eine Art Unterwerfungsgeste. Das einhändige Greifen symbolisiere das Ablegen des alten Ritterschwerts samt Gurt. Zusammen mit der Verneigung sei somit eine Demutshaltung vor der Königin ersichtlich. Zudem schütze die Verbeugung die empfindlichen Teile des Mannes in der Körpermitte vor den blind er-gebenen Schergen der Regentin.

Ich glaubte ihr kein Wort, nickte zum Abschied knapp, klinkte mein Handy in den Gürtel und ging hinaus in die Nacht, vielversprechenderen Abenteuern entgegen.

Freitag, 28. November 2008

Owa mid da Wäsch'! Vom Buckeln und Flüchten

Sag mir, wie du dich ausziehst, und ich sag’ dir, ob es sich auszahlt.

Es geschehen Zeichen und Wunder – Satireonkel Button spricht mit den Frauen und streift en passant eines der letzten großen Mysterien zwischen den Erz-Antagonisten Mann und Frau. Er hat erforscht, warum sich ihre Choreographie der Textilentledigung so grundlegend unterscheidet. Wir erinnern uns: Frau kreuzt die Arme bäuchlings und lüpft, Mann fasst die Wäsche rücklings und rupft. Sie macht’s aufrecht, er buckelnd.

Nicht geschmeckt haben dürfte dem Freizeit-Geschlechterforscher die historische Herleitung der ästhetisch minderwertigen Männerversion. Zumal das Ausdempulloverwürgen der gebeugten Duldungsstarre vor Mächtigen entstammt.

Zufällig liegt mir rezente Forschungsliteratur[1] vor. Die männliche Demutshaltung dient in der Tat der Unterwerfung und gleichzeitig dem Schutz des Gemächts. Das Kittelvolk hingegen bleibt ungebeugt und senkt seinen Blick nicht. Denn so kann es sein Gegenüber – ein möglicher Feind, frau weiß ja nie – länger im Auge behalten und gegebenenfalls schnell enteilen. Deswegen knickst die Frau bei Hofe auch. Die kaprizierte Herrschaft kann jederzeit handanlegend maßregeln.

In postmodernen Zeiten können wir Frauen dadurch schneller erkennen, ob das Ausziehen unserer Oberbekleidung beim Gegenüber – ein möglicher Kindsvater, frau weiß ja nie – einen Fluchtimpuls auslöst.

Rückschlüsse, ob ein Mann, der sich seiner Wäsche nach Frauenart entledigt, schwul, unbeugsam oder mit wenig Schützenswertem ausgestattet sei, sind mangels wissenschaftlicher Überprüfung einstweilen noch unzulässig.


Forschungsberichte an: meindldominika@yahoo.de
Kolumne ist auch hier nachzulesen.
--------------------------------------------------------------------------------

[1] Lamour, Uschi: „Wieso ist das so?“ In: Glamour, das Handtaschenrezensionmagazin. Hamburg: Nov. 2008

Sonntag, 16. November 2008

Bestrickende Lösungen im faulen System

Wie Alte und Junge die Welt zurechtbasteln können

Laut Meinungselite sind wir bald mehr oder weniger arbeitslos. Das trifft Menschen mit echter Arbeit sicher schlimm. Denken wir aber auch an die Pensionisten und jene jungen Menschen, die sich ihre Arbeitsunlust durch schädlichen Konsumverzicht erkaufen. Jackpot-Frage: Was sollen sie tun mit der freien Zeit, mit diesem Feuer, in dem wir alle verbrennen?

Mein Vorschlag: Stricken für den Weltfrieden und die Versöhnung der Generationen. „Wie soll das denn funktionieren?“, mosern die Entscheidungsträger. Antwort: Eine stadtbekannte Müßiggängerin belauschte beim Flanieren mit der Bim jüngst folgenden Dialog zweier grauer Pantherinnen.

„Ich tu gern handarbeiten.“ Langes Schweigen.
„Ja, das ist gut. Da vergeht viel Zeit.“ Noch längeres Schweigen.
„Und man sieht, dass was weitergeht.“

Großartiges Konzept! Es vergeht die Zeit, nicht der Mensch. Und am Ende hält er auch noch etwas in Händen.
„Was soll mit all den Stoffbastelendprodukten geschehen, wenn die Grauen sich jetzt die Seele aus dem Leib stricken, weben und klöppeln?“ quaken die Opinionleader.

Genau hier erfolgt der Auftrag an die faulen Jungen: Geht hin und bastelt den Altvorderen Webshops für ihre Webteppiche! Gewandet euch zudem in geklöppelte Spitzencombinagen! Nutzt die stilbildende Macht der Jugend und macht Strick zum Schick!

Weitere handgestrickte Schnapsideen hier bestellen: meindldominika@yahoo.de

Samstag, 8. November 2008

Warum mann den Herbst liebt

[Weil's es im Herkunftsblatt nicht mehr online gibt - hier die Worte des alten Mannes:]

Kalt und glitschig modern die Blätter am Waldesgrund, die Ackerscholle fröstelt dem Winter entgegen, kurz: Der Altweibersommer hat sich verzupft und damit die letzte Chance des Jahres auf Outdoor-Aktivitäten der erotischen Art. Mann darf aufatmen.


Mann glaubt es ja nicht, aber es gibt (nach ultraneuesten Studien aus vertrauenswürdigsten Quellen) gar nicht so wenige Frauen, die sich davon angezogen fühlen. Nicht erst seit Jürgen Drews Schnulze „Ein Bett im Kornfeld“ (1976) knistert so manche Lady beim Sonntagsspaziergang angesichts einer sonnengewärmten Kuhle in Mutters freier Natur.

Doch die Zeiten haben sich seither geändert. Nicht mehr der Rammler am Rein steht auf dem urbanen Markt der Partnerschaften auf dem Stockerl, sondern der sensible Urbane. Er, der einen lotionsgepflegten Designkörper unter seinem jederzeit emotionsbereiten Kopf trägt, wird doch nicht in Ährenhaufen hüpfen, wo ihn die Grannen schürfen. Genauso wird er die Sommerwiese meiden, wo im besten Fall die Allergene wüten und im schlimmsten des Bauern Adel noch an den Zecken haftet.

Tja, werte Kornfeld-Willige! Dies ist die lustlose Kehrseite jener Softskills, die vom Manne lange gefordert wurden und nun offen zu Tage treten. Er ist zum Weichling verkommen, der die Damen lieber in Daunen erkennt, als der Natur ebendort ihren Lauf zu lassen. Finden Sie sich entweder damit ab, oder weiten Sie den Vereinszweck von den „Wandervögeln“. Unseren Segen haben Sie. Zwischen Juni und September.

Montag, 3. November 2008

Die Kunst, stillos zu verarmen

Böse Börse. Schluckt einfach so aus einer schlechten Laune heraus 1400 Milliarden Dollar.
Angeblich soll’s der kleine Mann auf der Straße zahlen. Da fühle ich mich als mittelkleine Frau auf der Couch aber auch angesprochen. Jetzt warte ich stündlich auf das Eintreffen einer Rechnung über 208,955223884 Dollar, die ich und Sie anderen 6,7 Milliarden Menschen jeweils zahlen müssen.
Ich nehme meine Verantwortung ernst. Als erste Reaktion habe ich gleich die Kurzarbeit eingeführt. Was vielleicht wenig bringen mag, angesichts meiner Profession als Freiberuflerin mit starker Neigung zur freizeitorientierten Schonhaltung. Deswegen schnüre ich noch ein Maßnahmenpaket.
Zum einen investiere ich antizyklisch in die Wirtschaft. Also in die Gastwirtschaft. Konjunkturbelebung durch Konsum, und sei es Hopfentee. Ich verspreche mir Großes (und damit meine ich nicht nur meinen Bierbauch). Zum anderen wird aber auch ausgabenseitig gespart. Schluss mit protzigen Statussymbolen! Lieber wieder öfter mit Vaters Kombi fahren. Der geht tadellos, und Benzin ist auch immer wieder drin.
Viel Einsparungspotenzial gibt es zudem beim auswärtigen Essen. Jetzt ist eine gute Zeit, sich von alten Freunden oder Verehrern einladen zu lassen. So erleidet die Gastronomie keinen Schaden, Sie sparen und machen anderen Menschen eine Freude. Recht Ähnliches gilt, wenn Sie alten Erbtanten nun verstärkt um den Bart gehen. Allen ist damit geholfen.
Ganz generell plädiere ich für eine private Rezession. Sprich: Stillose Verarmung. Kraft meiner Kolumnenpräsenz rufe ich hier auch gleich einen neuen Modetrend aus. Schäbig ist das neue Schick! Letzte Maßnahme: Kolumnenschreiben. Wenn Sie dies hier lesen, habe ich die allerletzte Stelle hinter dem Komma fast schon hereingearbeitet.

Samstag, 1. November 2008

Die Welt retten – aber erst morgen

In Krisenzeiten wird das Volk zur leichten Beute für Scharlatane

Zig Gigabytes an Liebesbriefen wollten mir nach meiner jüngsten Aufforderung beweisen, dass die Romantik nicht tot sei, sondern nur ein wenig komisch rieche. Geschenkt.

Jetzt ist aber bitte Folgendes: Wir haben in den vergangenen zwei Wochen größere Probleme bekommen als die dysfunktionale Zweisamkeit. Der drohende Weltuntergang geht uns alle an. Mit Liebe alleine kriegen wir das Ding nicht wieder ins Lot.

Wie immer in Krisenzeiten bettelt das Volk um Ratschläge von strenger Hand. Von mir aus erledige ich das – bevor wieder irgendein durchgeknallter Despot Öl ins Feuer gießt. Auch wenn es mir selbst mehr weh tut als der Gesellschaft, wenn der Pracker auf ihrem Buckel Kirtag hält.

Da ich eine gütige Diktatorin sein will, öffnete ich vor dem geplanten Erstschlag mein Ohr. „Verbiete einfach Krisen“, sprach ein Gefährt da hinein. „Das Gebot Alles auf morgen verschieben sollte absolute Priorität bekommen“, eine weise Freundin ins andere. Beide Gedanken kreisten im Kopfraum, fanden einander und vereinigten sich. Dazu gesellte sich der Zufall in Form eines Artikels in der „New York Times“: „In Krisenzeiten ist es oft das Beste, nichts zu tun“.

Ja dann aber flott, mein Volk! Die Krisenbewältigung wird per Dekret auf übernächsten Donnerstag verlegt. Bis dahin geht ihr zum Wirten, meinetwegen Schuhe einkaufen und Zeitung lesen. Wen ich bei sorgenvoller Arbeit erwische, den lasse ich zur Strafe weitermachen.

Spendenanfragen, Seminarbuchungen oder „Du bist selbst ein Scharlatan!“-Botschaften an: meindldominika@yahoo.de

Samstag, 18. Oktober 2008

Das Unheil der Romantik

Ein Pamphlet gegen übersteigerte Sexualerwartungen

Neulich kam es zu Koalitionsverhandlungen in meinem zum Wirten outgesourcten Wohnzimmer:

„Warum ist das mit uns nichts worden?“
„Weilst völlig unromantisch bist.“
„I bin ned unromantisch! Bist deppert!?“

Nach einem kurzen Schnapp nach Luft brach ein homerisches Gelächter aus beider Kehlen hervor. Zwar blieb ich an jenem Abend in Opposition. Seither aber fühle ich das Sterben meiner Sucht nach Romantik.

Ich bitte von Blumenspenden abzusehen. Gute Gründe gibt es nämlich, das Ende der allgemein-amourösen Verklärung zu begrüßen. Nicht weil Biedermeier oder Realismus so viel besser wären. Ein bisschen schade, aber wahr: Bestürmte und drängte heute einer die Dame seines Herzens so wie einst Werther, würde sie ihn wegen Stalkings anzeigen.

Ich spreche vom Segen gesenkter Liebeserwartungen. Wir sind alle Opfer der Romantik-Pest, mit der uns der als Traumfabrik getarnte amerikanische Kulturimperialismus infiziert hat. Genormte Vorschriftskörper wandeln durch die Schmonzetten, sind ein wenig einsam, leiden ein wenig, dann wird geküsst, Musik erklingt und vor dem ersten Zwist über das Stehpinkeln ist der kitschige Spuk schon wieder vorüber.

Gerade junge Menschen mit weiblichen Geschlechtsteilen sind leichte Beute des Kitsches. Mit fatalen Folgen für die Geburtenraten. Sie verweigern die Reproduktion, weil im echten Leben dabei keine Musik erklingt und dem anderen der Bierbauch über den Gürtel wallt. Deswegen kann es nur heißen: Entweder stirbt die Romantik oder wir!

Liebesmails, die mich vom Gegenteil überzeugen mögen, an:
meindldominika@yahoo.de

Samstag, 4. Oktober 2008

Sinnkrisen im Saustall

Beleidigte Fluchten ins Proletariat sind auch keine Lösung

„Was machst du gerade?“
„Abkratzen.“
„So schlimm?“
„Nein, Tapeten! Du, ich kann nicht lange reden, ich muss nachher den Saustall ausräumen.“

So ging ein jüngst selbst belauschtes Telefonat zwischen einem Hobbydichter und einer Berufstexterin. Letztere imaginieren Sie sich bitte in einem nagelneuen Blaumann steckend, der eher eine Scheinschwangerschaft vermittelt als eine professionelle Arbeitseinstellung.

Couture aus dem Lagerhaus? Nicht nur modisch muss ich hier die Peitsche des Tadels schnalzen lassen. Sie klatscht all jenen Intellektuellen auf den breitgesessenen Hintern, die es nicht gebacken kriegen, dass ihr berufliches Wirken die Welt um keinen Deut verbessert hat. „Ich schreib’ mir die Finger wund, und das Volk verwählt sich schon wieder!“ heulen sie.

Beleidigt suchen sie Trost und Sinn in ehrlicher Hände Arbeit. Ihre Hände sind aber nicht ehrlich. Sie missbrauchen die physische Arbeit. Wenn sie wehrlose Mostbirnbäume umhacken und Bauernhöfe dekonstruieren, dann ist das nichts anderes als Angeberei. Der Eifer gerinnt zur Pose, der Fleiß zur Anbiederung an das zuvor geschmähte Proletariat.

Liebe Gscheitln und Stadtmäuse, lasst euch nicht vom Saustall im eigenen Leben in einen realen Schweinekoben führen. Zieht den Blaumann wieder aus. Schon Brecht machte sich mit seinen maßgeschneiderten Arbeiterkleidern lächerlich, das müsst ihr nicht wiederholen. Geht zurück zu euren Computern und schreibt dem Volk Kolumnen, in denen ihr es in klaren Worten für sein Wahlverhalten schimpft und tadelt.

Samstag, 20. September 2008

Traktat über die Unwürde

Selbsterniedrigung ist der Königsweg über die Generationskluft

Der alte Mann, der zuweilen statt mir diese Kolumne vollschreibt, hat vergangene Woche etwas ebenso Spannendes wie Falsches unter Sie, das Volk, gebracht: Die Altvorderen mögen sich möglich peinlichst verhalten, um sich die aufstrebende Jugend vom witternden Leib zu halten. Unwürde erhalte des Geronten Macht, weil der Nachwuchs vor Scham ohnmächtig im Erdreich versinke.

Das ist töricht: Akut auftretende Witzelei lässt den Altbauern schneller im Ausgedinge landen, als er „Ödipus“ sagen kann.

Hingegen ist die chronische Unwürde kaum zu überschätzen und ein pädagogischer Segen! Von frühester Jugend an muss der Mensch von seinen Erziehungsberechtigten mit Albernheit konfrontiert werden.

Wer im Dienste der Jugend auf Kühen reitet, mit Furzkissen arbeitet und zu Silvester die Einkesselung von Stalingrad mit Schweizerkrachern in der Grillkugel nachstellt, hat eines verstanden: Angst macht böse, Unwürde menschenfreundlich.

Die Sippe macht sich vor Freude über die humoristische Selbsterniedrigung ins Kleiderl und erkennt daran deutlich, dass die Bewunderung strenger Autorität das Herz erstarren lässt.
Apropos: Auch im Amourösen ist selbst verschuldete Unwürdigkeit von Vorteil. Ein Gewährsmann berichtete, er habe einst eine Dame klargemacht, indem er auf einem Staubsaugerrohr Didgeridoo spielte.

Jetzt aber Schluss mit Schmuddelkram und ernsthafter Lektüre. Stehen Sie auf und machen Sie irgendetwas wirklich Blödes. Und hören Sie sofort auf, mich zu bewundern!

Samstag, 6. September 2008

Schelte über das postpubertäre Zugzigeunertum

Bewusstes Miachtln riecht nach verweigerter Reife

Jetzt ist es schon wieder passiert: Urlaub. Neben unabsichtlich verfaulenden Muscheln, Portwein, Weihwassermadonnen und billigen Plastikdolchen (raten Sie ruhig einmal, wo ich war) habe ich Schelte und Kritik mitgebracht. Dieses Souvenir schenke ich dem Volk der Zugzigeuner (Verzeihung: Interrail-Roma).

Bevor jetzt tausende Kinne junger Menschlein zu bibbern beginnen: Mein Tadel trifft nicht sie. In blühender Jugend wochenlang durch die schöneren Länder dieses Kontinents zu gammeln und an Stränden „Blowin’ in the Wind“ zu schrummeln, ist der Herzensbildung zuträglich.

Nach dreißig sollte man das aber bleiben lassen, sonst stinkt die Sache nach Angst vor dem Erwachsenwerden. Weil’s ja wahr ist! Das ganze Jahr über sozialneurotisch dreimal täglich duschen und Selbiges dann drei Wochen bewusst miachtelnd überschätzt zu finden, ist postpubertär. Oder im Urlaub in einem versifften Zugabteil mit münkelnden Mitreisenden und ihren Säcken voller Knoblauchhartwürste in eine Stadt zu reisen, die man erst vor einem Monat beruflich mit dem Privatjet frequentiert hatte. Oder mehr warme Biere als warme Mahlzeiten einzunehmen. 37 weitere Illustrationen dieser Unsitte könnte ich noch nennen, ohne meine Fantasie anstrengen zu müssen! Zum Beispiel dieses Souvenir-Konglomerat: stinkend Meeresgetier, Fusel, Katholikentand und Kriegsspielzeug. Tsss!

Alles selbst und für Sie recherchiert während meiner Interrailreise. Ich werde übrigens erst übermorgen dreißig.

Samstag, 23. August 2008

Elende Fluchten

Eine Geschichte mit hohem Moralgehalt

„Erzähl uns einen Schwank aus deiner Jugend hinterm Krieg!“ flöten die Leserstimmen in meinem Kopf. „Aber nur noch eine, dann ist Schluss für die nächsten zwei Wochen“, brumme ich, „und ihr müsst gut aufpassen, denn in der Geschichte ist ein Gleichnis für unser aller Leben versteckt!“

Die Geschichte ist alt und echt, sie trug sich im vorhergehenden Jahrtausend zu.
An den Anlass erinnere ich mich nicht mehr, wohl aber an die Intensität des mütterlichen Unmuts. Geschimpft und gekränkt beschloss ich auszureißen. Ich wusste sogleich, dass mich eine gewisse Dickleibigkeit nicht für den Zirkus qualifizieren würde. Aber ich wollte tagelang in den Wäldern hausen und meiner Mutter bittere Tränen der Reue in die Augen treiben.

Ich nahm zwei Plastiksäcke und begann zu packen. Nachdem ich die zwei untersten Schubladen ausgeräumt hatte, musste ich einsehen, dass ich wohl doch nicht all meine Habe mitnehmen konnte. Ich nahm also die beiden Säcke (in denen jetzt nur Socken und Unterhosen waren) und packte noch zwei Bananen oben drauf. Dann ging ich!

Meine Mutter erzählt heute unter Tränen (allerdings nicht der bitteren Reue), sie habe mich langsam mit den riesigen Säcken davonwackeln sehen und sich dann nach einer halben Stunde gefragt, ob sie sich jetzt Sorgen machen müsse. In der Zwischenzeit war ich 200 Meter weit gekommen. Ich setzte mich erschöpft hin und aß den Proviant auf. Dann wurde mir klar, dass das so nichts werden würde. Ich blies die ganze Sache ab! Nach einer halben Stunde und zwei Minuten kehrte ich in die Arme meiner lachenden Mutter zurück.

Jetzt sind es am Ende gleich zwei Moralen hinter der Geschicht’ geworden. Erstens: Enden nicht immer noch alle unsere Fluchtversuche hinterm eigenen Gartenzaun? Zweitens: Seien Sie nicht so streng! Weder zu sich, noch Ihren Kindern, noch Ihren Kolumnentanten.

Samstag, 9. August 2008

Entschleunigung durch das Böse

Ödes und Blödes verleihen dem Leben Dauer

Ein lieber Mensch klagte mich jüngst fäusteschüttelnd und bartraufend an: „Du blödes Gscheitl predigst immer, dass alles vergeht. Aber warum hört die depperte Arbeit nie auf? Wieso vergeht das Ungute nicht?!“

Der Arbeit und der Unbill gleich, blieb ich hocken, Fäusten und Anklagen ausweichend. Dann hub ich zu einer kleinen Predigt an, die ich auch Ihnen nun aufnötige: Nicht die Zeit vergeht, wir vergehen. Besonders unvergänglich ist alles Öde und Blöde, doch es zögert unseren Tod hinaus. Wie das?

Mehr als tausend Jahre meines Lebens habe ich schon beim Zahnarzt, im Liegestütz, im Gespräch mit Toren und Narren verbracht. Die Meindl-Schulzeit dauerte subjektiv länger als die Mindl-Eiszeit (an dieser Stelle ein bisschen fades Randwissen: 475.000 Jahre in echt). Als einmal drei Tage lang zwei Schläuche in meinem Knie staken, alterte ich um eine Generation. Wenn ich daran denke, wie oft ich mir in meinem Leben noch die Zähne putzen muss, möchte ich sogleich tot umfallen.

Verständlich das eingangs erwähnte greinende „J’accuse!“ des Mitmenschen.
Großer Sinn waltet aber im Öden und Blöden. Ohne diese grässlichen Zeitstaustufen würde sonst das Leben wie ein Sturzbach des Glücks an uns vorbeirauschen. Wir müssten dem bunten Treiben zuerst atem-, bald aber leblos hinterher blicken.

Nun ist schon wieder ein wenig Zeit vergangen. Wenn ich meine Sache gut gemacht habe, haben Sie sich entsetzlich gelangweilt.
Seien Sie mir gefälligst dankbar!

Samstag, 26. Juli 2008

Vom Segen der Eremitage

Schönes gibt es von Zuhause zu berichten, geliebte Leserschar! Wie Sie vielleicht noch wissen (ich bin Ihnen nicht hab, falls nicht), bin ich ja beruflich Tyrannin meiner selbst. Die Pein durch meinen schlechten Umgang mit der neu gewonnenen Freiheit ist Wort geworden, und es ist als Kolumne unter uns gewesen.

Dann die Revolution! Oder besser: der Zwergerlaufstand. Seither bin ich vom Arbeitsplatz nicht mehr zu trennen. Großer Segen liegt auf dem Rückzug ins eigene Turmstübchen.

In allem Herrgottsmittag pendle ich vom Bett zwei Meter ins Büro – die Umwelt dankt!
Interviews erledige ich telefonisch in der ballonseidenen Joggingdress – das Konto blüht auf!
Gegessen wir das alte Zeug aus dem hintersten Kredenzwinkel – die Dritte Welt wird satt!
Das Klettertrainig erledigt sich an der Klimmzugstange – die Krankenkasse jauchzt!
In splendider Isolation rattert es unbeschwert im Hirn – die Kolumne wird voll!
Mangels Ärger brauche ich kein Bier mehr – das Wohlstandswimmerl schmilzt!

Dabei bleibe ich top-informiert und sozialisiert: Auf dem Bildschirm prangt nun so ein Kastl, das mir immer verrät, wie kalt es draußen ist. Das emotionale Humankapital (umgs.: „Freunde“) verwalte ich durch segnende Worte per Mail.

Apropos: Jetzt habe ich endlich Zeit, die kilometerlange Liste Ihrer Beschwerden abzuarbeiten! Immer nur her damit:
meindldominika@yahoo.de

Donnerstag, 10. Juli 2008

Unterdrückung ist gar nicht so schlecht

Meine neue Chefin ist eine Niete
Jetzt ist es passiert: Ich habe die Beherrschung verloren. Will heißen: Diese Zeilen sind ab heute freischaffenden Fingern entsogen. Die neue Chefin hat ihr Büro zwischen meinen beiden Ohren.
Leider ist sie eine komplette Niete. Mangelnde Führungsqualität Hilfsausdruck. Sie führt mich höchstens in Versuchung: Also oft ins Freibad, öfter zum Kühlschrank und am öftesten zum Wirten.

Das ist naturgemäß fatal für Budget und vor allem Sendungsbewusstsein. Anstatt allerhand Meinungen abzusondern und durch strenge Anweisungen die Welt zu verbessern, sitze ich auf Gras/Küchenstuhl/Bierbank und verschiebe auf übermorgen, was morgen zu erledigen wäre.

Will ich tatsächlich schreiben, verfalle ich sogleich in völlig sinnlose Geschäftigkeit. Rund um mich erstrahlen geputzte Fenster, entlauste Topfpflanzen und überflüssige Fachexkursionen: „Busy doing nothing“ nennt der Fachmann so einen schweren Fall von Aufschieberitis (die wiederum als „Procrastination“ zu wissenschaftlichen Ehren gekommen ist). Sehen Sie?

Selbst für seine Leistung verantwortlich zu sein, ist eine arge Bürde. Am eigenen Leib erlebe ich, dass der Mensch mit Freiheit nicht umgehen kann. Was also tun? Schizophren werden und gegen die neue Chefin rebellieren? Alte Vorgesetzte bitten, mich anzurufen und mit der Peitsche zu knallen?
Und jetzt kommen auch noch Sie daher und wollen eine Lösung oder zumindest eine Schlusspointe? Jetzt reicht’s! Ich kündige! Zumindest für die nächsten zwei Wochen.

Mittwoch, 25. Juni 2008

Blade Frauen retten die Welt

Gnä’ Leserschaft, Riesenskandal! Da kolumniert eine Frau seit einem halben Jahr über die Ereignislosigkeit ihrer Existenz und den ganzen Rest – und kein einziges Wort ward bisher über die Dreifaltigkeit weiblicher Top-Themen verloren: Fett an Bauch, Bein, Po! Was für ein unglaubliches Ignorieren weiblicher Leseinteressen. Ein ganzer Industriezweig blüht durch das beständige Maulen und Jaulen über dicke Hintern und blade Promis.

Dabei hat das Leben ja auch meine Leibesmitte aufgedunsen. Liebe Menschen haben da schon zärtlich hineingezwickt und „Specki“ geraunt.
Weil ich aber die Welt retten will, ignoriere ich diesen Krisenherd.
Weil warum? Sind Sie bereit für einen Hypothesen-Steilpass? Hier bittesehr: Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass der Welt Wunderbares zugefügt wird, wenn auch die weibliche Restwelt ihre Milliarden Augen von den Problemzonen wendet. Dann wäre wieder Platz für eigene Gedanken.
Rufen wir lieber wieder einmal unsere Muttis an, anstatt dauernd mit irgendwelchen Gerätschaften an der Orangenhaut herumzumanipulieren. Menschen, die ihre Muttis anrufen, können nichts Böses anstellen. Ähnliches gilt für das Streicheln von flauschigen Tieren (Spitzen-Machtersatz übrigens) und das Studieren von Texten, in denen es nicht um dicke Wadeln geht.

Samstag, 14. Juni 2008

Der Fußball und die üblen Pseudo-Prolos

Wenig ist öder als das ewige Anbiedern der Leistungs- und Entscheidungsträger an den proletarischen Rasenspaß. „Schaut, ich bin toootal volksnah!“, tröten die Wichtigen von den Bildern, auf denen ihr feister Fuß nach dem Ball tritt.
„Geht gefälligst Golf spielen, ihr Bonzen!“, brummt da die Arbeiterklasse. Und mit was? Mit Recht!

Auch die bürgerliche Bohème missbraucht den Fußball. Seit Friedrich Torberg die Fußball-Kastanien aus dem Feuer der intellektuellen Tabus geholt hat, wollen alle Gscheitln mitnaschen.
Dünnbeinige Philosophiestudenten und Webkünstler machen sich mit Inbrunst das schicke Retro-Adidas-Hoserl dreckig. Milieubedingte tiefe Sprüche klopfen sie mit Freude, Berechnung und ironischem Augenzwinkern.
Ihr Gekicke muss nämlich beweisen, dass das Elfenbeintürmchen eh einen Hinterausgang hat. Wer kickt, kann doch gar nicht so abgehoben und weltfremd sein. Hoffen sie zumindest. Allzu viel Volksnähe liebt der Intellektuelle dann übrigens nicht: Huch! Diese Goldketterl und Schnurrbärte!

Am allerschlimmsten aber sind Frauen, die ihre aufgesetzte Emanzipation krampfhaft durch Holzen und Bolzen zur Schau stellen müssen. Furchtbar ist das!

„Mooooment!“, fiept mich der Leser mit Erinnerungsvermögen an. „Die Alte spielt doch selbst! Und was ist diese doofe Kolumne anderes als unnötiges Gscheitln?“ Ich sag’ dazu nur eins: Mein Opa war Straßenarbeiter. Das adelt die folgenden sieben Generationen als Proletarier.

Samstag, 31. Mai 2008

Wie die Wissenschaft die Liebe verwurstet

Die Wissenschaft ist eine der pfiffigsten Erfindungen der Menschheit. Da steckt Musik drin. Neuester Heuler: die Entschlüsselung der Frau! Pfau. Erstmals wurde ihr Erbgut entziffert!

Der Erkenntnisgewinn gleicht zwar momentan noch der Lektüre eines Tellers Buchstabensuppe. Forscher können uns aber sicher bald erklären, warum wir Frauen immer nur in Rudeln wischerln gehen, warum wir lieber doofe Handtaschen statt Rucksäcke tragen und weinen, wenn sich Brad Pitt den Magen verstimmt hat.

Die Lösung und vielleicht sogar Beseitigung dieser ungünstigen weiblichen Erbgutstücke wird die Welt bewohnenswerter machen.

Und dennoch furcht Besorgnis meine Stirn. Predigte mir doch jüngst ein Älterer: „Mit dem letzten Geheimnis verschwindet auch die Liebe!“ Daraus folgt die steile Hypothese: Sobald Männer wissen, warum wir uns am Lokus einsam fühlen, warum wir unseren Kramuri in albernen Beuteln tragen und eine leicht einseitige Beziehung mit Brad Pitt führen, mögen sie uns vielleicht gar nicht mehr. Sehr schade wäre das! Wahrscheinlich käme es zu einer Bevölkerungsimplosion und allerlei Wirtschaftskrisen.

„Das Herz einer Frau, der Magen einer Sau, der Inhalt einer Wurscht bleibt auf ewig unerfurscht“ – wenn der Einstieg dieser rustikal-wissenschaftlichen Sentenz nun widerlegt ist: Was bleibt denn dann noch ein Geheimnis? Also liebenswert? Blunzen und Saumägen? I hope not, wie der Franzos’ zu sagen pflegt.

Samstag, 17. Mai 2008

Warum wir Weiber nicht kicken sollen

Auf dem Frauenfußball liegt kein Segen. Bevor jetzt Kampfschwestern das Abo kündigen und Wirtshausbrüder „Jawoi!“ grölen, einige erläuternde Worte aus leidvoller Erfahrung. Ich schreibe mit hiniger Zehe, ausgeleiertem Knie und schweren inneren Verletzungen meiner Würde.

Seit drei Jahren mache ich mich als bulliger Mittelfeldmotor des FC Rotation Winkeln zur Deppin. Verteile Bälle (über die Seitenlinie), zerstöre Spielaufbauten (leider die eigenen) und scheitere grandios noch einen Meter vor dem Tor (sogar vor dem eigenen).

Meine Mannschaft will dennoch nicht auf mich verzichten. Denn durch unabsichtliche Gewaltorgien mache ich die „Rotation“ zur Angstgegnerin. Das selten anwesende Publikum nennt mich „Königin der Blutgrätsche“. Gebrochene Schien- und Nasenbeine laufen im Linzer UKH angeblich schon unter „Morbus Meindl“.

Sie können sich vorstellen, wie unangenehm mir das im Zivilleben ist. Die Hälfte meines Budgets gebe ich für Blumen und Bonbonnieren bei Krankenbesuchen aus.

Und das alles nur, weil ich es nie gelernt habe. Ich bin ja noch im vorigen Jahrtausend erzogen worden. Da galt es als unschicklich, wenn Frauen schwitzend und ächzend über den Rasen schwarteln. Trauriges Fazit: Brutalität dank mangelnder Technik.So, und jetzt Klartext: Der Kolumnentitel ist ein Leger. Eine Schwalbe gleichsam, eine Ente (irgendwie muss ich Sie ja zum Lesen bringen). Wir Damen sollen gefälligst schon kicken. Bringt uns nur bitteschön mehr Technik bei. Den Gegnern zuliebe.

Samstag, 3. Mai 2008

Arme reiche Würste!

Reiche Kinder sind arme Würschtel. Nie adelte Not und fehlend Brot ihre Seelen. Ihre Eltern sind Ärzte, Bankfilialleiter und Installationskonzernbesitzerinnen. Aufsteigen können die höheren Söhne und Töchter nicht mehr. Ihr Weg führt in die kleinkriminelle Wohlstandsverwahrlosung oder in die Geisteswissenschaften – was ungefähr auf dasselbe hinausläuft.

Neidvoll blicken die Kinder aus gutem Hause auf die Herkünfte von Köhlerssöhnen und Holzfällerstöchtern. Die können in intellektuellen Kreisen mit ihrer biografisch bedingten Volksnähe prahlen und schillern.

Doch der Zeitgeist meint es gut mit den reichen Würschteln: Dank der Erfindung des Prekariats dürfen nun auch sie ein wenig am Hungertuch küfeln. Zur Erklärung: Das Prekariat, das sind die, die dank Vatis „Stupidium“ lange Jahre am Markt vorbeistudiert haben. In Form von Germanistinnen oder Keramikkünstlern vertreibt es sich in höchstens dezent bezahlten Anstellungsimitaten die Zeit bis zur Einführung der Grundsicherung. Das ist an sich schlecht.

Gut aber für die geschundenen, weil allzu reich beschenkten Kinderseelen: „Wir werden vom System toootal unterdrückt!“, greinen sie erleichtert. Die unfreiwilligen Arbeitsmarkt-Freibeuter proben den Zwergerlaufstand gegen die Ausbeuter und finden so endlich etwas, wofür es sich zu Mittag aufzustehen lohnt. Zur Demo gegen die neue Armut reisen sie dann mit der vom Vater ausgeliehenen Bonzenkarosse.
Apropos: Papa, mein Handy ist gesperrt. Tank mir bitte diesmal den Mercedes ganz voll, sonst reiß ich dir den Stern herunter.

Samstag, 19. April 2008

Affiges Urlauben

Heute zu Gast in der strengen Kolumnenkammer: Gutmenschen auf Urlaub. Sprich: affiges Weltbürgertum. Meine Schelte erfolgt zur Unzeit? Au contraire, denn so urlaubt der alternativ Bewegte. Im August zu reisen ist für den Individualismus-Junkie ungefähr so en vogue wie ein Stecken im Aug’.

Steuerzahlerin und kleiner Mann von der Straße ziehen erst dann gen Italien, wenn es eh zuhause auch heiß ist. Das intellektuelle Studenten-Gsindl hingegen darf sich keinesfalls am Teutonengrill in Caorle erwischen lassen. Es gleicht vielmehr seinen ersehnten Migrationshintergrund in irgendwelchen dritten Weltländern aus.
Nie geht es dabei bloß um Erholung. Der Bessermensch will sich selbst finden – wo er nichts verloren hat. Als Bonus gibt’s Durchfall-Anekdoten und Diebstahlsschnurren. Ganz zu schweigen von billig gebatikten Anlehnungen an die Landestracht. Besonders schick sind Freundschaften mit Menschen, die 49 Flugstunden weit weg wohnen.

Mit meiner ungünstigen Meinung dazu hänge ich am Rockzipfel von Glossengott Max Goldt, der solches Wollen töricht nennt. Bestmenschen mögen sich ihre Freunde doch nicht jenseits des Äquators suchen, sondern diesseits der Grätzlgrenze.
Nur damit keine Missverständnisse entstehen: Ja, ich war gerade in Nepal. Im April. Und ja, ich gewande mich derzeit in quietschbunte Alternativuniformen und schicke Mails an meine 17 neuen Kumpels aus Kathmandu. Was soll jetzt diese Kolumne gewordene Schizophrenie? Nur Diavorträge aus Weitwegistan heben mich aus dem Normalosumpf in die lichte Höhe des Optimalmenschen.

Samstag, 5. April 2008

Endlich Leserbeschwerden!

Ihr wollt also härter angefasst werden?!

Endlich Leserbeschwerden! Leser R. mantariert, dass der bisher hier angeschlagene Ton einer wahren Domina unwürdig sei. Und erst die Themen: Handtaschenpalaver, Beziehungsschmus und anderer Weiberkram!

Er will lieber erfahren, wie die Herrin dieser Zeilen zum Beispiel –Hausnummer – George Clooney zu knechten gedenke. Und generell möchte er strenger angefasst werden.
Aber bitte gern, bitte gleich! Schließlich soll niemand in seinen Unterwerfungswünschen unterdrückt werden.

George Clooney also: Das dackelfaltige Kaffeemannequin würde ich im Fall des Begegnungsfalles durch „He Schurli, hast du zufällig die Nummer vom Brad?“ oder „Bitte ein Autogramm! Es ist für die Omi!“ demütigen.

Strenger anfassen möchte ich ja auch gerne. Zum Beispiel alle, die mich tageszeitunabhängig mit der Begrüßung „Hob i di eh ned aufg’weckt?!“ plagen. Oder jene, die zur Nachmittagsmitte im Stoffwechselstübchen „Mahlzeit!“ zu mir sagen.

Spitze, dass ich das harte Anfassen hier schriftlich erledigen kann. Von Angesicht zu Angesicht leide ich (noch) unter Beißhemmungen.

Samstag, 22. März 2008

Tretminen und böse Wunder zu Ostern

Ostern ist auch nicht mehr das, was es einmal war. Seit der elterliche Hund beim Stammhaus die Wiese zertrümmerlt, wird die Eiersuche zum Tretminentango. Was aber wurscht (apropos) ist, weil die Eltern die Präsentkörbe ohnehin nur noch in Einmal-Umfall-Distanz rings ums Haus ablegen.

Wie kommen die bloß darauf, dass knapp 30-jährige Leibesfrüchte eine Beweise von Elternliebe mehr brauchen? Die elterliche Verantwortung endet nicht, wenn die Brut unter ersten grauen Haaren und Knorpelschäden leidet. Wort zum Ostersonntag!

Da fällt mir übrigens noch der Osterskandal ann 2005 ein. Die Nachbarssippe bekam von mir damals einen schiachen Stoffbären geschenkt. Der konnte arge, hier nicht wiederzugebende Frechheiten jodeln. Glänzende Kinderaugen, gerunzelte Mutterstirn. "Der kann eh noch nicht reden", versprach ich.
Zefix, wer konnte denn erahnen, dass sich akkurat an diesem Karsamstag ein verfrühtes Pfingstwunder ereignete und der beschenkte Analphabet zu sprechen begann? Peinlich in der Tat, dass der erste öffentliche Sprechakt genau die in einer Qualitätszeitung niemals wiederzugebende Frechheit war. Und dass er vor versammelter Innviertler Großfamilienmannschaft fiel.
So offenbarte sich an jenem Ostersonntag, dass die Richterskala der Peinlichkeit nach oben hin offen ist. Das Mutterantlitz glühte vor Scham wie ein bulgarischer Reaktor, heißt es. Die verbale Reaktion ist nicht überliefert. Ganz sicher nicht fielen die Worte "Des sogt ma ned, ned amoi zua Oma!"

Samstag, 8. März 2008

Arbeit schändet - und das ist gut so

Demut ist ein Segen für das reibungslose Miteinander der Menschenkinder. Hochmut kommt vor den Fall, so mieft es nicht nur aus den Talaren. Demütigungen sollten daher endlich einmal aus dem Schmuddeleck der zwischenmenschlichen Gepflogenheiten geholt werden.
Sag' ich nicht bloß im Walten meines Amtes als strenge Herrin dieser Zeilen.
Weil, warum? Großer Schaden wird der Welt durch große Egos zuteil. Ich sage nur "BAWAG" oder "Irakkrieg".
Nichts eignet sich besser als Arbeit, um das fürwitzige Wuchern der Ichs einzudämmen. Ein Mensch, der sich in seiner Jugend als Gartenzwerg, kellnernder Mostdipf oder Messestands-Grinsekatz verdingen musste, kann gar nicht mehr auf die schiefe Bahn einer Karriere geraten. Sonst wär' er gar nicht Gartenzwerg geworden, sondern hätte Crack vercheckt.
Eine Umfrage unter soweit gelungenen Menschen nach ihren Einstiegsjobs: DIe Jury-Assistentin der Afiesler Chorolympiade ist heute historische Betroffenheitspflegerin. Die Tischabräumerin bei einer Klingonen-Konferenz steht der lernunwilligen Jugend bei. Die Reißnagelabfüllerin macht die Menschheit durch Süßwarenverkauf glücklich.
Arbeit adelt, auch wenn es Häuslputzen ist, roch es einst aus dem Mund einer bald schon wieder arbeitslosen Kurzzeitministerin. Aber nein doch: Arbeit schändet, da haben die werkscheuen Punks schon recht.
Ich habe in früher Jugend Bierkisten durch den örtlichen Nahversorger geschleppt. Und fühle mich als Kolumnendomina nun sicher und geborgen vor Kolumnen-Unbill.

Samstag, 23. Februar 2008

Willkommen im Neurosengarten

Unsere Ängste und Sorgen werden immer alberner. An sich verdankt sich der Menschheitsbestand ja der Furcht vor Mammut, Wolf und Säbelzahn. Die Angsteinjäger werden nun mit zunehmender Zivilisierung immer kleiner: Hund, Katz, Maus, Bakterium. Seit uns die Natur meist nur noch in Form von Schlechtwetter zu nahe tritt, verwachsen sich unsere Ängste zum wunderliche Blüten treibenden Neurosengarten.
So fürchtet sich der befreundete Mitmensch: "Ich habe Angst, dass sich von meinem Ventilator eines Tages die Schutzabdeckung lösen könnte, die Rotorblätter sausen auf mich zu und enthaupten mich." "Ich habe eine Zwangsstörung bezüglich Zudrehen der Waschmaschinen-Wasserzufuhr." "Ich habe Angst, in einem fensterlosen, völlig weißen Raum eingesperrt zuwerden. Angst, dass im Schlaf die Haare verändert werden (grau, schwarz, weg). Angst davor, vom Chef verführt zu werden."
Eigene Neurose: Die Angst vorm offenen Hosentürl. Täglich verschwende ich hunderte Stunden an dessen Kontrolle. Gruselig!
Nicht vor der Sache mit dem Chef gruselt mir (Grüß Gott an dieser Stelle!), sondern vor dem Gedanken an all die durch Neurosen verschwendete Hirnkapazität.
Das muss jetzt einmal aufhören. Es gibt so viel zu erledigen! Versuchen wir es mit offener Konfrontation: Kopf in den Ventilator, in eine Schachtel stecken, rasieren. Den Chef lassen wir ungeschoren.
Ich selbst erlege mir auf, einen Tag lang mit Hosen-Toilettfehler herumzurennen und jedem, der mich darauf anspricht, "ich will das so!" entgegenzubrüllen.

Samstag, 9. Februar 2008

Berühmte letztklassige Worte

Sprache schafft und verdient Gewalt

Ein unschönes Pendant zu ersten letzten Worten („Hallihallo, ich bin der Prinz von Linz“, wir erinnern uns) sind letztklassige letzte Worte. Wer noch nie mit einem „Lass uns Freunde bleiben!“ wieder auf den freien Liebesmarkt hinauskomplimentiert wurde, mag sich als menschliches Kuriosum in ein Museum stellen.
Der verlogene Freundschaftsantrag ist ja ein verbaler Kinderfasching. Die Richterskala der bei Liebesentlassungen gesagten Unsäglichkeiten ist nach oben hin offen. „Es ist besser für uns beide.“ „Wir brauchen eine Pause.“ „Es liegt nicht an dir.“ Alt, abgedroschen, aggressionsfördernd.
Schrecklicher, aber unterhaltsamer die Ergebnisse einer kleinen Umfrage: „Du hast einen besseren als mich verdient.“ „Es war uns doch von Anfang an klar, dass es nicht lange halten wird.“ „Ich will dir nicht zu wichtig werden.“
Oft verstärkt der Kontext das Minidrama: „Wir werden in drei Monaten nicht mehr zusammensein und auch nicht in drei Wochen“, schoss einst einer die Seine in den Wind – im Beisein zahlreicher Haberer. Erfrischend empörend die Erzählung, als sich einer beim letzten Mitarbeitergespräch einen Krautstrudel bestellte und mit vollem Mund „Meine letzte Trennung war so traumatisch!“ mampfte.
Wer dieserart den Weisel bekommt, muss keine Domin(ik)a sein, um mit handgreiflichen Unmutsäußerungen zu antworten. Solche Reden rütteln am Watschenbaum.
Nun aber sollten wir eine zweiwöchige Pause einlegen. Sie haben bessere Kolumnen verdient, und ich will Ihnen nicht zu wichtig werden.

Samstag, 26. Januar 2008

Worte, die vor die Hose gehen: Kommunikation ist immer noch das beste Verhütungsmittel

So, meine Lieben, heute geht’s zur Sache: Sex.

Oder eben nicht. Denn nichts kann mehr in die Hose gehen als der verbale Versuch, sein Gegenüber zum Öffnen derselben zu motivieren. Ich belästige Sie mit Binsenweisheiten, gewiss. Warum jedoch – zefix noch einmal! – werden immer noch so viele erste Worte ausgesprochen, die sogleich die letzten bleiben? So stirbt unser Land bald aus. Dämliche Reden haben einen Pearl-Index von null: Der Welt ist noch keine einzige darauf erfolgende Befruchtung überliefert.
Soll ich zur Miseren-Illustration die Truhe meines einschlägigen Erfahrungsschatzes lüpfen?

Einst begab ich mich als unbemannte Raumsonde in mein ausgelagertes Wohnzimmer. Dort rief die Natur, ich folgte. Kurz vor Erreichen des stillen Örtchens wurde einer laut, den die Natur offensichtlich anderweitig plagte. Nach kurzem Hallihallo zerstörte er das ohnehin durch die mangelnde Lieblichkeit des Ortes kaum keimende Pflänzchen der Liebe: „He, nimmst du eigentlich Anabolika?“ Ich ließ meinem Fluchtreflex freien Lauf. Jede Frau sollte so handeln. Mehr davon? Eine Bekannte wurde einst mit „Studiast du Pädagogik oder Schönheit?“ angeplaudert. Eine andere mit „I bin da Prinz von Linz und i nimm di heit mit ham!“ Unschön.

Doch Hand aufs Herz statt Faust aufs Aug: Die verbalen Rohrkrepierer brechen im Nachbericht das Eis auf jeder Party. Also immer nur her damit! Damit Sie mir nicht vor dem Lokus auflauern müssen, bemühen Sie bitte das Internet.

Samstag, 12. Januar 2008

Das Spaßpotenzial von Geschlechtsumwandlungen: Kurzes Haar macht dickes Fell

2008 ist über uns hereingebrochen und bietet uns massig Zeit zur Veränderung. Wie wär’s etwa mit einer Geschlechtsumwandlung? Das kostet nicht viel und macht Spaß. Vorausgesetzt, Sie lassen sich nicht Ihre sekundären Geschlechtsmerkmale wegschnippeln, sondern nur das Haupthaar. Ich schreibe aus Erfahrung.
Lange Zeit trug ich mein Haar kurz. Seit kurzem ist es wieder lang. Mit kurzem Flausch können Sie sich als Frau ein dickes Fell zulegen. „Sehr geehrter Herr Meindl!“ schrieb die Leserschaft, „Burschi!“ rief der Chef, launig mit dem Auge zwinkernd. „Der junge Mann war vor mir dran“ der ältere Herr in der Brotboutique. Über Mutmaßung bezüglich meiner sexuellen Orientierung breite ich dezent den Mantel des Schweigens, aus dem nur ein „Nicht alle Frauen mit kurzen Haaren wohnen am anderen Ufer“ hervorragen soll.

Spannend jedenfalls, dass die geschlechterunsensiblen Anreden auf einen Schlag versiegten, als im vorliegenden Blatt ein aktualisiertes Langhaar-Bildnis meiner selbst erschien. Schade irgendwie.

Warum also die Rückbesinnung zur haargewordenen Weiblichkeit? Davon kündet folgender Dialog mit einem Bekannten:
Ich, launig mit dem Auge zwinkernd: Wüüst a Bier?
Er (3): Owa des is jo nu nix für Kinda!
Ich: Bist eh scho a klaana Mau.
Er: Owa nu ned so a großa wia du.

Nun, mein Fell ist also jetzt dick genug. Und ebenjenes zieh’ ich künftig all jenen über die Ohren, die mir noch einmal mit „Burschi“ kommen!