Samstag, 18. Oktober 2008

Das Unheil der Romantik

Ein Pamphlet gegen übersteigerte Sexualerwartungen

Neulich kam es zu Koalitionsverhandlungen in meinem zum Wirten outgesourcten Wohnzimmer:

„Warum ist das mit uns nichts worden?“
„Weilst völlig unromantisch bist.“
„I bin ned unromantisch! Bist deppert!?“

Nach einem kurzen Schnapp nach Luft brach ein homerisches Gelächter aus beider Kehlen hervor. Zwar blieb ich an jenem Abend in Opposition. Seither aber fühle ich das Sterben meiner Sucht nach Romantik.

Ich bitte von Blumenspenden abzusehen. Gute Gründe gibt es nämlich, das Ende der allgemein-amourösen Verklärung zu begrüßen. Nicht weil Biedermeier oder Realismus so viel besser wären. Ein bisschen schade, aber wahr: Bestürmte und drängte heute einer die Dame seines Herzens so wie einst Werther, würde sie ihn wegen Stalkings anzeigen.

Ich spreche vom Segen gesenkter Liebeserwartungen. Wir sind alle Opfer der Romantik-Pest, mit der uns der als Traumfabrik getarnte amerikanische Kulturimperialismus infiziert hat. Genormte Vorschriftskörper wandeln durch die Schmonzetten, sind ein wenig einsam, leiden ein wenig, dann wird geküsst, Musik erklingt und vor dem ersten Zwist über das Stehpinkeln ist der kitschige Spuk schon wieder vorüber.

Gerade junge Menschen mit weiblichen Geschlechtsteilen sind leichte Beute des Kitsches. Mit fatalen Folgen für die Geburtenraten. Sie verweigern die Reproduktion, weil im echten Leben dabei keine Musik erklingt und dem anderen der Bierbauch über den Gürtel wallt. Deswegen kann es nur heißen: Entweder stirbt die Romantik oder wir!

Liebesmails, die mich vom Gegenteil überzeugen mögen, an:
meindldominika@yahoo.de

Samstag, 4. Oktober 2008

Sinnkrisen im Saustall

Beleidigte Fluchten ins Proletariat sind auch keine Lösung

„Was machst du gerade?“
„Abkratzen.“
„So schlimm?“
„Nein, Tapeten! Du, ich kann nicht lange reden, ich muss nachher den Saustall ausräumen.“

So ging ein jüngst selbst belauschtes Telefonat zwischen einem Hobbydichter und einer Berufstexterin. Letztere imaginieren Sie sich bitte in einem nagelneuen Blaumann steckend, der eher eine Scheinschwangerschaft vermittelt als eine professionelle Arbeitseinstellung.

Couture aus dem Lagerhaus? Nicht nur modisch muss ich hier die Peitsche des Tadels schnalzen lassen. Sie klatscht all jenen Intellektuellen auf den breitgesessenen Hintern, die es nicht gebacken kriegen, dass ihr berufliches Wirken die Welt um keinen Deut verbessert hat. „Ich schreib’ mir die Finger wund, und das Volk verwählt sich schon wieder!“ heulen sie.

Beleidigt suchen sie Trost und Sinn in ehrlicher Hände Arbeit. Ihre Hände sind aber nicht ehrlich. Sie missbrauchen die physische Arbeit. Wenn sie wehrlose Mostbirnbäume umhacken und Bauernhöfe dekonstruieren, dann ist das nichts anderes als Angeberei. Der Eifer gerinnt zur Pose, der Fleiß zur Anbiederung an das zuvor geschmähte Proletariat.

Liebe Gscheitln und Stadtmäuse, lasst euch nicht vom Saustall im eigenen Leben in einen realen Schweinekoben führen. Zieht den Blaumann wieder aus. Schon Brecht machte sich mit seinen maßgeschneiderten Arbeiterkleidern lächerlich, das müsst ihr nicht wiederholen. Geht zurück zu euren Computern und schreibt dem Volk Kolumnen, in denen ihr es in klaren Worten für sein Wahlverhalten schimpft und tadelt.