Samstag, 23. Februar 2008

Willkommen im Neurosengarten

Unsere Ängste und Sorgen werden immer alberner. An sich verdankt sich der Menschheitsbestand ja der Furcht vor Mammut, Wolf und Säbelzahn. Die Angsteinjäger werden nun mit zunehmender Zivilisierung immer kleiner: Hund, Katz, Maus, Bakterium. Seit uns die Natur meist nur noch in Form von Schlechtwetter zu nahe tritt, verwachsen sich unsere Ängste zum wunderliche Blüten treibenden Neurosengarten.
So fürchtet sich der befreundete Mitmensch: "Ich habe Angst, dass sich von meinem Ventilator eines Tages die Schutzabdeckung lösen könnte, die Rotorblätter sausen auf mich zu und enthaupten mich." "Ich habe eine Zwangsstörung bezüglich Zudrehen der Waschmaschinen-Wasserzufuhr." "Ich habe Angst, in einem fensterlosen, völlig weißen Raum eingesperrt zuwerden. Angst, dass im Schlaf die Haare verändert werden (grau, schwarz, weg). Angst davor, vom Chef verführt zu werden."
Eigene Neurose: Die Angst vorm offenen Hosentürl. Täglich verschwende ich hunderte Stunden an dessen Kontrolle. Gruselig!
Nicht vor der Sache mit dem Chef gruselt mir (Grüß Gott an dieser Stelle!), sondern vor dem Gedanken an all die durch Neurosen verschwendete Hirnkapazität.
Das muss jetzt einmal aufhören. Es gibt so viel zu erledigen! Versuchen wir es mit offener Konfrontation: Kopf in den Ventilator, in eine Schachtel stecken, rasieren. Den Chef lassen wir ungeschoren.
Ich selbst erlege mir auf, einen Tag lang mit Hosen-Toilettfehler herumzurennen und jedem, der mich darauf anspricht, "ich will das so!" entgegenzubrüllen.

Samstag, 9. Februar 2008

Berühmte letztklassige Worte

Sprache schafft und verdient Gewalt

Ein unschönes Pendant zu ersten letzten Worten („Hallihallo, ich bin der Prinz von Linz“, wir erinnern uns) sind letztklassige letzte Worte. Wer noch nie mit einem „Lass uns Freunde bleiben!“ wieder auf den freien Liebesmarkt hinauskomplimentiert wurde, mag sich als menschliches Kuriosum in ein Museum stellen.
Der verlogene Freundschaftsantrag ist ja ein verbaler Kinderfasching. Die Richterskala der bei Liebesentlassungen gesagten Unsäglichkeiten ist nach oben hin offen. „Es ist besser für uns beide.“ „Wir brauchen eine Pause.“ „Es liegt nicht an dir.“ Alt, abgedroschen, aggressionsfördernd.
Schrecklicher, aber unterhaltsamer die Ergebnisse einer kleinen Umfrage: „Du hast einen besseren als mich verdient.“ „Es war uns doch von Anfang an klar, dass es nicht lange halten wird.“ „Ich will dir nicht zu wichtig werden.“
Oft verstärkt der Kontext das Minidrama: „Wir werden in drei Monaten nicht mehr zusammensein und auch nicht in drei Wochen“, schoss einst einer die Seine in den Wind – im Beisein zahlreicher Haberer. Erfrischend empörend die Erzählung, als sich einer beim letzten Mitarbeitergespräch einen Krautstrudel bestellte und mit vollem Mund „Meine letzte Trennung war so traumatisch!“ mampfte.
Wer dieserart den Weisel bekommt, muss keine Domin(ik)a sein, um mit handgreiflichen Unmutsäußerungen zu antworten. Solche Reden rütteln am Watschenbaum.
Nun aber sollten wir eine zweiwöchige Pause einlegen. Sie haben bessere Kolumnen verdient, und ich will Ihnen nicht zu wichtig werden.