Samstag, 20. September 2008

Traktat über die Unwürde

Selbsterniedrigung ist der Königsweg über die Generationskluft

Der alte Mann, der zuweilen statt mir diese Kolumne vollschreibt, hat vergangene Woche etwas ebenso Spannendes wie Falsches unter Sie, das Volk, gebracht: Die Altvorderen mögen sich möglich peinlichst verhalten, um sich die aufstrebende Jugend vom witternden Leib zu halten. Unwürde erhalte des Geronten Macht, weil der Nachwuchs vor Scham ohnmächtig im Erdreich versinke.

Das ist töricht: Akut auftretende Witzelei lässt den Altbauern schneller im Ausgedinge landen, als er „Ödipus“ sagen kann.

Hingegen ist die chronische Unwürde kaum zu überschätzen und ein pädagogischer Segen! Von frühester Jugend an muss der Mensch von seinen Erziehungsberechtigten mit Albernheit konfrontiert werden.

Wer im Dienste der Jugend auf Kühen reitet, mit Furzkissen arbeitet und zu Silvester die Einkesselung von Stalingrad mit Schweizerkrachern in der Grillkugel nachstellt, hat eines verstanden: Angst macht böse, Unwürde menschenfreundlich.

Die Sippe macht sich vor Freude über die humoristische Selbsterniedrigung ins Kleiderl und erkennt daran deutlich, dass die Bewunderung strenger Autorität das Herz erstarren lässt.
Apropos: Auch im Amourösen ist selbst verschuldete Unwürdigkeit von Vorteil. Ein Gewährsmann berichtete, er habe einst eine Dame klargemacht, indem er auf einem Staubsaugerrohr Didgeridoo spielte.

Jetzt aber Schluss mit Schmuddelkram und ernsthafter Lektüre. Stehen Sie auf und machen Sie irgendetwas wirklich Blödes. Und hören Sie sofort auf, mich zu bewundern!

Samstag, 6. September 2008

Schelte über das postpubertäre Zugzigeunertum

Bewusstes Miachtln riecht nach verweigerter Reife

Jetzt ist es schon wieder passiert: Urlaub. Neben unabsichtlich verfaulenden Muscheln, Portwein, Weihwassermadonnen und billigen Plastikdolchen (raten Sie ruhig einmal, wo ich war) habe ich Schelte und Kritik mitgebracht. Dieses Souvenir schenke ich dem Volk der Zugzigeuner (Verzeihung: Interrail-Roma).

Bevor jetzt tausende Kinne junger Menschlein zu bibbern beginnen: Mein Tadel trifft nicht sie. In blühender Jugend wochenlang durch die schöneren Länder dieses Kontinents zu gammeln und an Stränden „Blowin’ in the Wind“ zu schrummeln, ist der Herzensbildung zuträglich.

Nach dreißig sollte man das aber bleiben lassen, sonst stinkt die Sache nach Angst vor dem Erwachsenwerden. Weil’s ja wahr ist! Das ganze Jahr über sozialneurotisch dreimal täglich duschen und Selbiges dann drei Wochen bewusst miachtelnd überschätzt zu finden, ist postpubertär. Oder im Urlaub in einem versifften Zugabteil mit münkelnden Mitreisenden und ihren Säcken voller Knoblauchhartwürste in eine Stadt zu reisen, die man erst vor einem Monat beruflich mit dem Privatjet frequentiert hatte. Oder mehr warme Biere als warme Mahlzeiten einzunehmen. 37 weitere Illustrationen dieser Unsitte könnte ich noch nennen, ohne meine Fantasie anstrengen zu müssen! Zum Beispiel dieses Souvenir-Konglomerat: stinkend Meeresgetier, Fusel, Katholikentand und Kriegsspielzeug. Tsss!

Alles selbst und für Sie recherchiert während meiner Interrailreise. Ich werde übrigens erst übermorgen dreißig.