Freitag, 29. Oktober 2010

Freunde 2.0: Warum noch reden?

Die Frizi postet auf Facebook, dass in zwei Stunden im Volksgarten gegen die Kürzungen im Sozialbereich demonstriert wird. Ich erkläre mich sofort solidarisch und versehe ihren Aufruf mit einem flammenden „Gefällt mir“. Leider kann ich selbst nicht hingehen, da ich wegen eines zu schreibenden Textmeeres zu Kürzungen im eigenen Sozialbereich gezwungen bin. Deswegen gönne ich mir keinen Kaffee mit Anna, kein Bier mit Franz und schreibe ihnen das schnell in einem Mail mit jeweils 2342 Zeichen, aber mit dem auf 21 Zeichen zusammenfassbaren Inhalt „Ich kann nicht kommen!“

Dann öffne ich beherzt den Ordner mit den Kolumnen, lege ein neues Dokument an und schreibe… nichts, weil Franz zurückmailt, dass aber heute der Kurt auch käme. Ich antworte ihm gleich – schließlich muss ich mich nachher konzentrieren – dass ich nicht kann, weil ich eine Kolumne über die Freundschaft in Zeiten ihrer virtuellen Reproduzierbarkeit schreiben soll.
Ich mache das Dokument wieder auf und beginne zu tippen: „Die Fritzi postet“, aber weiter komme ich nicht, denn Anna mailt, dass sie mich zwar gerne getroffen hätte, aber eh auch viel zu tun hat. Und übrigens hat die Kathi einen Neuen. Gibt’s doch nicht, welchen denn, antworte ich. Und dem Franz, der wissen will, was ich mit „virtueller Reproduzierbarkeit“ meine, das verstünde ja niemand, ich solle das Schreiben zugunsten des Bieres bleiben lassen. „Franz, das ist wichtig, denn die Jugend verinselt im Meer des WWW“, erkläre ich, während ich von Anna erfahre, dass sie selbst nichts Genaueres über Kathi weiß, weil ihr der Peter gemailt hat, dass sie einen neuen hat.

Und dann schreibt der Franz, dass ich ins Beisl kommen soll, und zwar sofort. Wieso, schreib ich. Und er: DARUM!

Donnerstag, 5. August 2010

L’etat et moi - Nordkorea rülpst vom Balkon

Meine Kolumne für die "Streifzüge" zum Thema "Staat"

Der Staat und ich – geht’s vielleicht eine Nummer kleiner? Ich meine, beides ist thematisch etwa so breit wie Russland oder ein Nachmittag im Zahnarztzimmer. Aber weil ich die Streifzüge so innig leiden mag, werfe ich flugs die stotternde Assoziationsmaschine an. Erstes kopfinternes Browse-Ergebnis: meine Beziehung zu Vater Staat. Hier ein paar vulgärpsychologische Weisheiten.

Väter nerven spätestens ab der Pubertät, das ist in ihrem ontologischen Bauplan so vorgesehen. Die Kinder trotzen analog. Müssen sie gehorchen, maulen sie wegen der autoritären Gewalt. Geschieht ihnen Böses, jaulen sie wegen der verletzten Sorgfaltspflicht. Der Vater hat es nicht leicht mit seinen Kindern und sie nicht mit ihm.

Gut, ein Vater ist notwendig, das verbindet den staatlichen mit dem leibhaftigen. Ohne strengen Staat ist der Mensch dem Menschen Wolf und ohne väterliche Intervention hätte ich meine kleine Schwester damals am Marterpfahl den Ameisen ausgeliefert. Das täte mir heute leid, denn sie hat sich mittlerweile zu einer recht netten Person zusammengewachsen. Dennoch habe ich mich weitestgehend den Anweisungen meines Vaters entzogen. Ich wünschte, das gelänge auf staatlicher Ebene genauso leicht.

Meine Mitgliedschaft im Staat basiert auf zufälligen Kriterien. Und sie geniert mich. Angesichts des törichten Treibens beim Staatsopernball möchte mein Antlitz alljährlich glühen wie ein bulgarischer Reaktor, wenn es mir nicht schon lange zu blöd wäre. Ein Land, dessen Identifikationsangebot zu guten Teilen aus weißen trippelnden Rössern, kalkhaltigen Gesteinsanhäufungen, picksüßer Kräuterbrause und galligen Marzipankugeln aus dem multinationalen Kraft-Konzern besteht.

Immerhin: besser als Bürgerin von Folterstaaten mit affig ausstaffierten Diktatoren zu sein. Es wäre mir echt peinlich, Nordkoreanerin zu sein. Und Gaddafis Frisur, hören Sie mir doch auf.

Aber: Echte Liebe kann auch im Negativvergleich nicht aufkommen. Ich mag meinen echten Vater doch nicht auch nur deswegen, weil die Nachbarskinder einen solchen hatten, der täglich im Feinripp vom Balkon rülpste. Ich kann die autoritäre Führungsschwäche meines Staates einfach nicht leiden. Wohl nicht von ungefähr klingt sein Name in meinem Dialekt wie der Befehl, den Mund zu halten. „Sei stad!“

So. In der Zwischenzeit sehe ich bei der thematischen Wanderung schon fast Wladiwostok und der Zahnarzt wischt mir schon die letzten Tränen von der Backe. Es folgt nur noch mein Fazit für die künftige Praxis: Ich nehme mir vor, weiterhin so wenig zu verdienen, dass ich Vater Staat nicht mit meiner Einkommenssteuer fördere. Muss mir halt dann der Papa bei Gelegenheit einen Zwanziger zustecken.

Donnerstag, 15. April 2010

Leistungsscheues Kittelvolk

Bei Einsteins Relativitätstheorie geht’s irgendwie um Raum und Zeit. Wie 94,3 Prozent der Restwelt habe ich keine Ahnung, ich möchte trotzdem vorschlagen, in die Gleichung den Faktor Arbeit einzusetzen. Nicht die physikalische, denn dann könnte ich dem Finanzamt „W = F . s“ als Einkunftsquelle angeben. Man hielte mich für eine ordentliche Schelmin.

Es geht aber um die rätselhafte Welt der Erwerbsarbeit. Was die wert ist, bestimmen wunderliche Menschen und Kriterien. Ich steige da nicht ganz durch. Hängt das vom Längengrad, von der Witterung, vom Koeffizienten der Ohrläppchengröße und der Nasenwurzellänge des Arbeitgebers ab? Nichts Genaueres weiß man nicht!

Erste Ergebnisse meiner Forschungen deuten darauf hin, dass ein Y-Chromosom den Wert der Arbeit steigert. Anders ist es nicht zu erklären, warum eine Frau für die gleiche Leistung weniger bekommt als ein Mann. Möglicherweise bewirkt die Genetik auch, dass die meisten Frauen bevorzugt gesellschaftlich völlig unwichtige Tätigkeiten verrichten, wie etwa Kindererziehung oder Alten- und Krankenpflege. Viele verweigern sich der Leistungsträgerschaft in Form von Spekulationsgeschäften und Rüstungsexport. Dabei bilden diese Berufe doch das Rückgrat unserer Gesellschaft.

So betrachtet ist es würdig und recht, wenn im oö. Herzblatt ein Wirtschaftsjournalist, dem die Gattin Kinder und Haus betreut, das Kittelvolk durch die Blume der Leistungsunwilligkeit zeiht. Sollen sie doch überhaupt zuhause bleiben, das senkt die Arbeitslosenquote!
Ich werde das jetzt so machen. Das Kolumnenschreiben ist auch nicht gut für den Teint. Ich könnte mich ja vom Arbeitsmarkt wegheiraten lassen und zuhause mit der Brennnesselsuppe auf meinen Brotherrn warten. Angebote bitte in den Kommentarteil.

Dienstag, 30. März 2010

Freunde 2.0: Segensreiche Entleiblichung der Interaktion

Für "Streifzüge 48":

Freunde sind das Salz in der Ursuppe des Lebens. Ohne meine Freunde wüsste ich nicht, dass meine Frisur an einen totgefahrenen Frosch gemahnt. Dass Tschäcki Lugners Neuer im Sternzeichen und vom Gesicht her Ratte ist. Dass meine Hose backbords auch schon mal loser gesessen hat. Dass weibliche Frettchen an Östrogenvergiftung verenden, wenn ihnen in der Brunftzeit kein Fretterich sexuell beiwohnt. Dass meine Kolumnen früher viel pfiffiger waren. Trotz dieser mit Dank kaum aufzuwiegenden informativen Liebesdienste in der Vergangenheit sehe ich meine Freunde immer weniger.

Die Nullerjahre haben uns nämlich eine eminente Entleiblichung der Freundschaft beschert. Trefflich lässt sich über Facebook spotten oder in Bedenken ob der Verlotterung echter, gelebter Intersubjektivität verfallen. Doch dank „FB“ muss ich nicht mehr aus der Wohnung, wenn ich wissen will, was KathiKevinMarcelFranz gerade umtreibt. Da spare ich mir allerlei Unbill, vom falschen Outfit bis zum Tritt in Hundekot.

Eine wunderliche Wendung ist auch die Intimisierung der Einblicke. Unter vier Augen hätten mir meine gschamigen Kumpanen nie gestanden, dass sie einen neuen Freund/ den alten in den Wind geschossen/ihre lesbische Freundin geheiratet/das Geschlecht gewechselt haben. Auf Facebook habe ich tatsächlich all das und noch viel mehr erfahren. Im Internet können meine Freunde ihrem Bekenntnisdrang nachgehen, ohne durch gerunzelte Stirnen und Reaktionen wie „Aber der alte war doch noch ganz gut“ behelligt zu werden.

Heute habe ich 279 digitale Freunde. Früher hatte ich analog so viele Menschen nicht einmal gekannt. Gut, dass die auch nicht mehr so oft außer Haus gehen. Man stelle sich vor, ich gäbe eine Geselligkeit und alle kämen. Da wäre der Kühlschrank ratzfatz leergefressen, Mägen knurrten, Prügeleien entstünden im Unterzucker.

Ein immenser Vorteil besteht auch im Hygienischen. Was man sich bei der realen Interaktion alles holen kann! Von bösen Blicken über ungeplante Schwangerschaften bis zum Schnupfenvirus. Da doch lieber nur ein Virus auf dem Computer. Von den Einsparungspotenzialen im kränkelnden Gesundheitsbereich ganz zu schweigen.

Nachteilig könnte freilich das Fehlen echter sozialer Kontrolle sein – einst die Kernkompetenz privater Human Ressources. Schon heute wirkt sich das amikale Ausbleiben negativ auf vieler Menschen Wohnungsreinlichkeit aus. Auf den Sitzgelegenheiten sedimentieren sich Zettel, Zeitungen und Zigarettenschachteln ab. In den Ecken tollen die Staubmäuse mit den Silberfischen umher. Unschön.

Damit die Kemenate sich nicht schleichend anhand von Kleingetier und Raviolidosen in eine Mülldeponie verwandelt, empfiehlt es sich dringend, ab und zu echte Menschen hereinzubitten. Es müssen ja nicht die engsten Freunde sein, denn das sind oft die strengsten. Man kann durchaus einmal den Rauchfangkehrer oder einen Zeugen Jehovas einlassen und an deren Miene ablesen, ob es sie schon ekelt. Gelingt die Übung, kann man einander später bestimmt auf Facebook noch näher kommen und sich über das Paarungsverhalten von Nagetieren austauschen.

Mittwoch, 10. März 2010

Pressestimmen zu "Lebensbeichte einer Tugendterroristin"

"Meindl, wenn ich Sie noch einmal dabei erwische, während der Arbeitszeit zu bloggen, dann haue ich Sie hochkant raus!" Gerald Mandlbauer, OÖN

"Die Autorin verfügt offensichtlich über zuviel Tagesfreizeit." Hubert Gsengstbratl, Volkstümlicher Beobachter

"Naja." Knaus Lüchtern, die Falte

"Einmal noch, Meindl!" Gerald Mandlbauer, OÖN

"Das bisschen, das man liest, kann man sich zur Not bekanntlich selber schreiben, darin liegt übrigens das Hauptverdienst vieler Blogger, sie halten sich dank ihrer Blogs, dieser elektrischen Poesiealben, lobenswerterweise vom Journalismus fern." Armin Thurnher, Der Falter

"Jetzt reicht's!" Gerald Mandlbauer, OÖN

Donnerstag, 21. Januar 2010

Eine Hypo-These

Jüngst war ich zu einer Abendgeselligkeit geladen und suchte eine kleine Aufmerksamkeit für die Gastgeberin. Blümchen sind ja heute politisch nicht mehr korrekt, da ihnen Chemikalien und der Schweiß gepeinigter Tagelöhner anhaften. Also ging ich los, um die Hypo Alpe Adria zu kaufen, denn ich war am Monatsende finanziell schon etwas klamm. Die Kärntner Bank ging um einen Euro her, das konnte ich mir gerade noch leisten.

Groß dann der Ärger, als ich sah, dass mir Österreich diese Okkasion vor der Nase weggeschnappt hatte. Ich grollte und kaufte schließlich Schokobananen.

Ähnliches war mir ja schon vor Weihnachten passiert, als ich meiner Mutti Island kaufen wollte. Auch hier hatte sich der Staat ungut eingemischt und das Schnäppchen verhindert. So geht’s uns kleinen Menschen auf der Straße immer, wenn wir uns mit unserem mühsam zusammenverdienten Geld was Schönes kaufen wollen. Das Beste kriegen die großen Tiere. Uns drängt die Regierung, unhandliche Trümmer wie hässliche Geländewagen oder staubanfällige Flachbildfernseher zu kaufen.

Ich beschloss, meinem Unmut Luft zu machen und schrieb dem Finanzminister per Krone-Leserbrief, dass ich die Hypo gerne hätte. Ich würde mir dann damit selbst einen Kredit zwecks Ankurbelung der Automobilwirtschaft gewähren. Das alte Auto ist nämlich sowieso schon dreckig. Bevor ich das wasche, könnte ich mir ja ein neues, viel umweltfreundlicheres kaufen. Im Gegenzug dürfe Pröll dann bei mir sein soziales Transferkonto eröffnen. Ohne Kontoführungsgebühren – so großzügig wollte ich sein.

Aber typisch, die da oben hören nicht auf Volkes Stimme. Sollen sie sich doch künftig ihre Krise selbst machen. Und wenn mich Frau Pröll einmal zur Soiree einladen sollte, bringe ich ihr Afghanistan ganz sicher nicht mit.