Samstag, 23. August 2008

Elende Fluchten

Eine Geschichte mit hohem Moralgehalt

„Erzähl uns einen Schwank aus deiner Jugend hinterm Krieg!“ flöten die Leserstimmen in meinem Kopf. „Aber nur noch eine, dann ist Schluss für die nächsten zwei Wochen“, brumme ich, „und ihr müsst gut aufpassen, denn in der Geschichte ist ein Gleichnis für unser aller Leben versteckt!“

Die Geschichte ist alt und echt, sie trug sich im vorhergehenden Jahrtausend zu.
An den Anlass erinnere ich mich nicht mehr, wohl aber an die Intensität des mütterlichen Unmuts. Geschimpft und gekränkt beschloss ich auszureißen. Ich wusste sogleich, dass mich eine gewisse Dickleibigkeit nicht für den Zirkus qualifizieren würde. Aber ich wollte tagelang in den Wäldern hausen und meiner Mutter bittere Tränen der Reue in die Augen treiben.

Ich nahm zwei Plastiksäcke und begann zu packen. Nachdem ich die zwei untersten Schubladen ausgeräumt hatte, musste ich einsehen, dass ich wohl doch nicht all meine Habe mitnehmen konnte. Ich nahm also die beiden Säcke (in denen jetzt nur Socken und Unterhosen waren) und packte noch zwei Bananen oben drauf. Dann ging ich!

Meine Mutter erzählt heute unter Tränen (allerdings nicht der bitteren Reue), sie habe mich langsam mit den riesigen Säcken davonwackeln sehen und sich dann nach einer halben Stunde gefragt, ob sie sich jetzt Sorgen machen müsse. In der Zwischenzeit war ich 200 Meter weit gekommen. Ich setzte mich erschöpft hin und aß den Proviant auf. Dann wurde mir klar, dass das so nichts werden würde. Ich blies die ganze Sache ab! Nach einer halben Stunde und zwei Minuten kehrte ich in die Arme meiner lachenden Mutter zurück.

Jetzt sind es am Ende gleich zwei Moralen hinter der Geschicht’ geworden. Erstens: Enden nicht immer noch alle unsere Fluchtversuche hinterm eigenen Gartenzaun? Zweitens: Seien Sie nicht so streng! Weder zu sich, noch Ihren Kindern, noch Ihren Kolumnentanten.

Samstag, 9. August 2008

Entschleunigung durch das Böse

Ödes und Blödes verleihen dem Leben Dauer

Ein lieber Mensch klagte mich jüngst fäusteschüttelnd und bartraufend an: „Du blödes Gscheitl predigst immer, dass alles vergeht. Aber warum hört die depperte Arbeit nie auf? Wieso vergeht das Ungute nicht?!“

Der Arbeit und der Unbill gleich, blieb ich hocken, Fäusten und Anklagen ausweichend. Dann hub ich zu einer kleinen Predigt an, die ich auch Ihnen nun aufnötige: Nicht die Zeit vergeht, wir vergehen. Besonders unvergänglich ist alles Öde und Blöde, doch es zögert unseren Tod hinaus. Wie das?

Mehr als tausend Jahre meines Lebens habe ich schon beim Zahnarzt, im Liegestütz, im Gespräch mit Toren und Narren verbracht. Die Meindl-Schulzeit dauerte subjektiv länger als die Mindl-Eiszeit (an dieser Stelle ein bisschen fades Randwissen: 475.000 Jahre in echt). Als einmal drei Tage lang zwei Schläuche in meinem Knie staken, alterte ich um eine Generation. Wenn ich daran denke, wie oft ich mir in meinem Leben noch die Zähne putzen muss, möchte ich sogleich tot umfallen.

Verständlich das eingangs erwähnte greinende „J’accuse!“ des Mitmenschen.
Großer Sinn waltet aber im Öden und Blöden. Ohne diese grässlichen Zeitstaustufen würde sonst das Leben wie ein Sturzbach des Glücks an uns vorbeirauschen. Wir müssten dem bunten Treiben zuerst atem-, bald aber leblos hinterher blicken.

Nun ist schon wieder ein wenig Zeit vergangen. Wenn ich meine Sache gut gemacht habe, haben Sie sich entsetzlich gelangweilt.
Seien Sie mir gefälligst dankbar!